Mörderische Schwestern – Ladies Crime Night

Acht Autorinnen lesen jeweils acht Minuten, bis der Wecker klingelt. Acht ganz unterschiedliche Schriftstellerinnen, acht sehr verschiedene Krimis, das bedeutete achtmal Nervenkitzel, Witz und Raffinesse, ein spannender Abend mit wahrlich „bösen“ Frauen am 23. März 2011.

In der Turnhalle des Polizeipräsidiums übten sich Frauen in Selbstbehauptung, und auch der große Besprechungssaal war restlos gefüllt, überwiegend von Frauen. Die warteten wiederum auf Frauen, die aus Bonn, Köln und Dortmund angereist waren, Krimiautorinnen des Netzwerks „Mörderische Schwestern“. Selbstbewusst, mit Sinn für Humor und spannungsbezogener Intonation trugen sie ihre Geschichten von Mord und Totschlag vor. Wen wundert, dass ihre Leichen überwiegend männlichen Geschlechts waren?

 

Mord ist ihr Geschäft

Den Anfang machte Gisa Klönne, Glauser-Preisträgerin und Ehrenkommissarin der Bonner Polizei. Bereits nach wenigen Sätzen aus dem zweiten Band ihrer Krimis um die Kölner Kommissarin Judith Krieger – allesamt Bestseller, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden – machte sich im ausverkauften Saal knisternde Spannung breit. Die wenigen Innenansichten ließen ahnen, dass diese Frau nicht nur der Kampf gegen das Verbrechen umtreibt.

Dann klingelte auch schon der Wecker, das „Timer-Schwein“, wie Ulla Lessmann sagte, und Köln’s Krimikönigin stockte mitten im Satz. Das ist das Konzept der „Ladies Crime Night“: Acht Autorinnen lesen jeweils acht Minuten – bis der Wecker klingelt. Und alle Autorinnen hielten sich daran, pure Selbstdisziplin.

Das Verbrechen hat Geschichte

Die Journalistin Beate Sauer, studierte Philosophin und Theologin aus Aschaffenburg, die seit einigen Jahren in Bonn lebt, hat sich mit historischen Kriminalromanen einen Namen gemacht. Mit ihrem Krimi-Debüt „Die Heilige in deiner Mitte“ errang sie beim 10. Nordrhein-Westfälischen Autorentreffen den 1. Preis. Darin untersucht Kommissarin Jakoba Strykowski den Mord an einem exaltierten Priester und dringt in die abgeschiedene Welt eines Ordens ein. Interessant auch, wie die Theologin den Blick der Ermittlerin auf die Leiche eines geweihten Mannes richtet, „dem“ die Kommissarin buchstäblich „auf die Haut“ rückt.

In die Vergangenheit entführte auch die Kölnerin Petra Reategui, der man anmerkte, dass sie viele Jahre für die Deutsche Welle und den Hörfunk gearbeitet hat. Anschaulich las sie aus „Filzengraben“, einem Roman, in dem sich alles um die im 18. Jahrhundert äußerst unbeliebten „Welschmänner“ dreht, wie die Kaufleute und Händler aus Italien genannt wurden.

Doch zuvor präsentierte sie eine Glasscherbe, die eigenem Bekunden nach aus der Zeit ihrer Geschichte stammt. Die ehemalige Phiole soll eine duftende Essenz mit Namen „Aqua mirabilis“ beherbergt haben, die einst wertvoll genug war, um dafür zu morden.

Danach entführte Judith Merchant mit einer Satire in die Welt von Droste-Hülshoff und Goethe. Einer Schreibkrise während ihrer Promotion, in der sie erste Kurzgeschichten zu Papier brachte, verdankt sie den Friedrich-Glauser-Preis für ihre Erzählung „Monopoly“.

Mit viel Witz und Ironie schilderte die charmante Königswinterin vor der Pause, in der die Gäste Gelegenheit zu einem Imbiss des „Peking-Ente-Haus“ aus Bonn-Lengsdorf hatten, was die noch junge Annette ihrem Tagebuch anvertraut, als sie vom Herrn Geheimrat im Fach Ballade unterrichtet wird. Der spricht ihr als Frau die nötige „historische Erfahrung“ ab und ermutigt sie so zu einem vermeintlich erfundenen Mord.

„Autorinnen lieben Ruhm, Preise und hohe Auflagen“

Ein weiterer Seitenhieb auf Männer, die „das Sagen haben“, kam von Sabine Deitmer aus Dortmund, ausgezeichnet mit dem Frauenkrimipreis der Stadt Wiesbaden, dem Deutschen Krimipreis für „Dominante Damen“ und dem Friedrich-Glauser-Preis für ihr Gesamtwerk.

Die Trendsetterin in Sachen Männermorden (Bye-bye Bruno), mit „viel Sympathie für Verlierer männlichen Geschlechts“, ließ ihre Heldin, Kommissarin Beate Stein, alle Versuche ihres Chefs parieren, ihr ein Controlling-Projekt auf’s Auge zu drücken. Das macht sie so geschickt, dass es keines Rückgriffs auf ihren größten Trumpf, ein kompromittierendes Foto ihres Kommissariatsleiters, bedarf.

Viel Milieukenntnis bewies Ingrid Strobl mit einem Kurzvortrag aus ihrem Roman „Köln Nippes“. In den Büchern der Buch-, Hörfunk- und Fernsehautorin aus Köln geht es oftmals um Respekt, vielmehr um mangelnden Respekt anderen Menschen gegenüber.

Einfühlsam schilderte sie eine Begegnung der gesellschaftskritischen Journalistin Katja Leichter und zwei Geschwisterkindern, die sich aus der Obhut ihrer Pflegefamilie stehlen. Anstatt das Jugendamt zu informieren, bietet Katja ihnen ein Versteck und gerät in eine tödliche Auseinandersetzung.

Erschreckend aktuell

Eine tödliche Katastrophe präsentierte auch Ulrike Rudolph, deren englischsprachige Kriminalromane sich hervorragend zum Englisch lernen eignen sollen. Sie gewann den Kurzkrimiwettbewerb der Criminale 2001 und war Stipendiatin des „Tatort Töwerland“ auf Juist.

Aus der Kurzgeschichte „Feuer frei in Dülken“ (in: „Todschick – Tatort Niederrhein“), geschrieben noch vor dem Amoklauf von Winnenden, schildert sie die Sicht der Eltern auf Sascha, ihren Amok laufenden Sohn, und die Not des Ermittlers, der damit leben muss, möglicherweise im Vorfeld etwas übersehen zu haben. Grauenhaft aktuell, wie die Ereignisse im März 2009 gezeigt haben.

„Und zum Schluss was Süßes!“ mag sich Moderation Ulla Lessmann gedacht haben, die mit Brigitte Glaser eine sehr erfolgreiche Hobby-Köchin präsentierte, am Herd und auch an der „Schreibmaschine“. Kulinarische Krimis sind ihr Metier und mit ihrer Heldin über fünf Romane, Katharina Schweitzer, führt sie sogar Interviews. Die ist fest davon überzeugt, sich schon längst einen Stern erkocht zu haben, wenn sie nicht immer über Leichen stolpern würde.

Uns präsentierte Brigitte Glaser mit „Passion douce“ (aus: Bitterböse – Schokoladenkrimis vom Niederrhein) jedoch einen männlichen Ermittler, verliebt und süchtig nach Schokolade und Trüffeln. So wundert es nicht, wenn der die Patisserie, immerhin den Tatort eines Mordes, mit anderen, als den sprichwörtlich kriminalistischen Sinnen betritt.

Dazu trägt auch die (zweite) weibliche Leiche bei, die „angerichtet“, völlig umhüllt von feinster Schokolade, auf einem Tisch präsentiert wird. Doch noch bevor der begnadete Patissier sein vermeintliches Geständnis ablegen konnte, klingelte wieder das „Timer-Schwein“.

Das „Timer-Schwein“ zwingt an den Büchertisch

Zur Auflösung des Rätsels lud ein Büchertisch der Buchhandlung „Max & Moritz“ ein, an dem manches Werk der Autorinnen verfügbar war, die sie auch signierten. Schließlich lieben Autorinnen nicht nur Ruhm und Preise, sondern auch hohe Auflagen, wie Ulla Lessmann feststellte.

Die Moderatorin ist selbst mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin und Journalistin aus Köln, war Präsidentin des Krimi-Autorinnen-Netzwerks „Mörderische Schwestern“ und engagiert sich im „Verband deutscher Schriftsteller/innen (VS)“ für die soziale Sicherheit von Autorinnen und Autoren.

„Kojak“ und „Der Alte“

Es war ein vielschichtiger Leseabend, dessen weibliche Dominanz einen eigenen Reiz entfaltete. Ausgleich bot das ausschließlich männliche besetzte Jazz-Ensemble des Landespolizeiorchesters, das wieder einmal alte, neue und auch weniger bekannte „Kriminalmusik“ präsentierte. Die Melodien kannte jeder, doch aus welchem Filmklassiker sie stammen, sorgte bei manchem Musikfan für Überraschungen.