Jan Seghers ist für deutsche Krimifans schon lange kein Geheimtipp mehr. Der renommierte Schriftsteller, Kritiker und Essayist hat mit seinem Ermittler Robert Marthaler eine Figur geschaffen, die nicht wenige an Kurt Wallander erinnert. Am 28.03 2012 war der Bestsellerautor zu Gast im Bonner Polizeipräsidium.
Hat man einen Roman von Jan Seghers in der Hand, fühlt man sich schon nach den ersten Kapiteln an Henning Mankell erinnert, den schwedischen Erfolgsautor, der hierzulande besser bekannt ist, als manch deutscher Krimiautor. Von diesem lies Seghers sich in der Tat inspirieren, weg von amerikanischen und englischen Klischees, hin zu einem mittlerweile ganz eigenen, man möchte sogar sagen persönlichen Krimistil.
Und der findet seine Geschichten in der Stadt des Autors, in Frankfurt, wo er sich auskennt, weil er viel mit dem Fahrrad unterwegs ist, und wo es die unterschiedlichsten Milieus gibt, in denen er recherchiert. Denn beim Krimi muss man genau sein, wie er der Krimi-Couch anvertraute, bei den Zusammenhängen und Schauplätzen sogar genauer als beim literarischen Schreiben.
„Nachrichten aus der Realität“
Heimatkrimis also? – Weit gefehlt! Seine Geschichten könnten vielerorts in Deutschland spielen, denn Seghers’ Krimis sind Nachrichten aus der Realität, die nicht nur unterhalten, sondern auch aufrütteln wollen. Das liegt ihm am Herzen und auch seinem Ermittler, dessen Schicksal er nun schon über vier Romane entwickelt.
Kriminalhauptkommissar Robert Marthaler, ein ruppig wirkender Melancholiker und Einzelgänger, der sich nach einem persönlichen Schicksalsschlag ganz bewusst für den Beruf des Polizisten entschieden hatte, entfernt sich Buch für Buch immer mehr vom Polizeiapparat. Ein Mensch mit Ecken und Kanten, der mit den Medien hadert, mit seinen Vorgesetzten und auch mit Kollegen – wie der Autor?
„Wer keine Gegner hat, hat seine Freunde nicht verdient“
Matthias Altenburg alias Jan Seghers, 1958 in Fulda geboren, will mit seinem Künstlernamen an die Schriftstellerin Anna Seghers und den Radprofi Jan Ulrich erinnern. Warum ein renommierter Schriftsteller ein Pseudonym wählt? Bei der Gartenarbeit trägt er auch gern andere Kleidung. Als er begann Krimis zu schreiben, hätte ihm das sehr geholfen.
Eine Figur sollte in der Nähe des Autors sein, sagt Seghers. Wieviel Marthaler in ihm steckt, können wir nur vermuten. Auch er beobachtet die gesellschaftliche Entwicklung und kommentiert sie, durch seinen Ermittler und in seinem persönlichen Internettagebuch.
1998 erhielt Matthias Altenburg den Marburger Literaturpreis, 2008 den Offenbacher Krimipreis und die Schweizer Auszeichnung für Kriminalliteratur, den Burgdorfer Krimipreis. Mittlerweile hat er vier Kriminalromane mit Robert Marthaler geschrieben, zuletzt „Die Akte Rosenherz“, dem ein historischer Kriminalfall zugrundeliegt.
Sittenbilder aus Polizeiprotokollen
Der Raubüberfall auf einen Transporter, in dem Kommissar Marthalers schwangere Freundin ein wertvolles Gemälde zum Flughafen bringen soll, stürzt den Ermittler nicht nur in eine tiefe persönliche Krise, sondern auch in einen Kriminalfall, der Verbindungen zu dem vierzig Jahre zurückliegenden Mord an der Prostituierten Karin Rosenherz hat.
Doch noch bevor sich Marthaler auf die Jagd nach den Tätern machen kann, wird er wegen Befangenheit von den Ermittlungen ausgeschlossen. Entbehrlich zu sagen, dass sich Marthaler das nicht bieten lässt und auf eigene Faust recherchiert. Als auch noch die Akte Rosenherz verschwindet, sieht er sich gezwungen, mit einer Journalistin zusammenzuarbeiten.
Bei ihren Ermittlungen geraten der Kommissar und die junge, geheinmnisvolle Frau in ein Netz aus Intrigen, Korruption und Gewalt. Als ein Hinweisgeber erschlagen und am überwucherten Ufer eines Sees das Skelett einer lange vermissten Frau entdeckt wird, ahnen beide: Ihre Gegner schrecken vor nichts zurück. Es scheint, als solle die «Akte Rosenherz» für immer geschlossen bleiben …
Scheinbar mühelos überbrückt Seghers in dieser Geschichte vier Jahrzehnte und zieht den Leser in den bis heute nicht geklärten Mordfall an der Frankfurter Edel-Prostituierten Helga Matura (Karin Rosenherz) hinein. Aus den Ermittlungsakten (die natürlich nicht verschwunden sind!) kennt er Details, die dem Leser einen Eindruck vom Wirken der Prostituierten für die Frankfurter High-Society in den 60er Jahren vermittelt – ein kleines Sittengemälde.