Dominique Manotti ist das Pseudonym von Marie-Noëlle Thibault, französische Gymnasiallehrerin, Historikerin, Gewerkschafterin, Professorin und schließlich Autorin. Sie ist eine der stillen Größen der Kriminalliteratur, des roman noir, die eher über Verlust und Katastrophen, denn über erfüllte Zeiten schreibt – ein Widerschein ihres Lebens. Einen Einblick darin gewährte sie uns bei unserem Krimiabend am Mittwoch, 4. Dezember 2013.
Die Romane der in Paris lebenden Französin sind hochpolitisch und zeigen meisterlich die Verflechtungen von Politik, Wirtschaft und Verbrechen. Sie wurden in Deutschland und auch international mehrfach ausgezeichnet und fanden Aufnahme in die KrimiWelt-Bestenliste (Roter Glamour). 2011 erhielt sie den Deutschen Krimipreis (3. Platz) für ihren Roman Letzte Schicht.
Dominique Manotti ist eine „Spätberufene“. Erst im Alter von 50 Jahren schrieb sie ihren ersten Roman (Sombre Sentier; Hartes Pflaster), der 1995 auf Anhieb Krimi des Jahres wurde: „Schreiben bedeutet für mich die Fortführung meines Engagements in anderer Form, weil die vorherige Form nicht mehr existiert, aber es ersetzt keinesfalls das politische Engagement, der Mangel bleibt.“
Ihr politisches Interesse erwachte zum Ende des Algerienkrieges 1962, als tausende traumatisierte Soldaten nach Hause zurückkehrten. Später engagierte sie sich in diversen politischen und gewerkschaftlichen Gruppen und leitete für mehrere Jahre die Pariser Sektion des Französischen Demokratischen Gewerkschaftsbundes (CFDT). Desillusioniert über die Politik Mitterands zog sie sich zurück, nahm eine Professur in Paris an und widmete sich dem Schreiben.
Verzicht auf nutzloses Beiwerk
„Es gib einen Hang zur nationalen Verklärung, den ich natürlich zu brechen versuche“, erklärt die heute 71-jährige Historikerin und sieht darin die Fortführung ihres politischen Wirkens mit anderen Mitteln: „Der Historiker konstruiert und stellt die Spuren, die Indizien zusammen und schreibt von da ausgehend einen rationalen Bericht, er verleiht den Spuren und Indizien einen Sinn. Die Schriftsteller [..] gehen ungefähr auf die gleiche Art und Weise vor, wobei sie ihre Fantasie etwas mehr spielen lassen.“
Damit erklärt sich auch ihr journalistischer Schreibstil, der zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Der Verzicht auf nutzloses Beiwerk gibt ihren Romanen eine ganz besondere Lebensnähe und auf die kommt es ihr an: „Ein Roman ist nur dann spannend, wenn die Individuen lebendig sind. Meine spezifische Arbeit besteht darin, diesen Personen Leben einzuhauchen.“
Grande Dame des Roman Noir
Und das gelingt ihr bis heute meisterlich. Sie hatte tiefe Einblicke in das Leben türkischer Arbeiter in Pariser Kleiderfabriken (Hartes Pflaster) oder der Fließbandarbeiter in Lothringen (Letzte Schicht). Auch zu den höchsten politischen Kreisen um Mitterand (Roter Glamour) und anderer Präsidentschaftskandidaten (Einschlägig bekannt; Die ehrenwerte Gesellschaft) brilliert sie mit realistisch dargestellten Details. Das ist Stoff, der gerade in Frankreich für Aufsehen sorgt, so in Das schwarze Korps, in dem sie sich Kollaboration und Kriegsgewinnlern widmet.
„Dominique Manotti setzt jedes Wort an seinen rechten Platz, lässt dort Raum, wo ihn der Leser braucht, erklärt dort, wo Erklärungen wichtig sind“, fasst der Verleger und Autor Dieter Paul Rudolph in der krimi-couch zusammen. Und Tobias Gohlis (Die ZEIT) urteilt: „Unter den Autoren der Welt ist Dominique Manotti einzigartig.“ Dem schließen wir uns an und freuen uns auf die grande dame des roman noir aus Paris.